Sonntag, 21. Dezember 2014

Die Kettenbefristung bei Arbeitsvertägen




Problem – Kettenbefristung – bei Arbeitsverträgen 

Es ist im all­ge­mei­nen recht­lich zulässig, be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se auch mehr­fach hinterein­an­der zu ver­ein­ba­ren. 

Wann können Ar­beit­neh­mer ge­gen ei­ne Ket­ten­be­fris­tung vor­ge­hen? 

Wenn Sie als Ar­beit­neh­mer länge­re Zeit hin­ter­ein­an­der mit im­mer wie­der er­neu­er­ten, hinterein­an­der ver­ein­bar­ten Sach­grund­be­fris­tun­gen beschäftigt sind, kann es sein, dass Ihr Arbeits­ver­trag nur schein­bar be­fris­tet ist, in rechtlicher Sicht aber ein un­be­fris­te­ter Ver­trag vorliegt. 

Für die Fra­ge, ob ei­ne sol­che fortdauernde Be­fris­tung wirk­sam ist oder nicht, kommt es auf den Sach­grund für die letz­te Be­fris­tung an. Ar­beit­neh­mer müssen da­her, wenn sie die Wirksam­keit der Be­fris­tung in Zwei­fel zie­hen, Gründe für die Un­wirk­sam­keit der zu­letzt verein­bar­ten Be­fris­tung fin­den. Eine mögli­che Un­wirk­sam­keit der in vor­an­ge­gan­ge­nen Zeitverträgen ent­hal­te­nen Be­fris­tun­gen in­ter­es­siert recht­lich nicht dann nicht mehr. 

Nach der ak­tu­el­len Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts steigt mit zu­neh­men­der An­zahl der hin­ter­ein­an­der ge­schal­te­ten, auf Sach­gründe gestütz­ten Be­fris­tun­gen und mit zunehmender Dau­er der ge­sam­ten Ver­trags­zeit die Wahr­schein­lich­keit dafür, dass der Arbeitge­ber die ge­setz­lich ge­ge­be­ne Be­fris­tungsmöglich­keit miss­bräuch­lich ein­ge­setzt hat, um sei­ne In­ter­es­sen ein­sei­tig und auf Kos­ten des Ar­beit­neh­mer­inter­es­ses an ei­ner unbefristeten Beschäfti­gung durch­zu­set­zen. 

Hierzu hat das BAG mit Urteil vom 18.07.2012, AZ: 7 AZR 443/09 (Kücük-Urteil)folgende Leitsätze aufgestellt:

Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nach § 14 II Satz 2 Nr,3 TzBfG nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds der Vertretung beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, alle Umstände des Einzelfalls und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen. 

Hieraus leiten sich folgende Leitsätze ab: 

a) Der die Befristung rechtfertigende sachliche Grund liegt in Fällen der Vertretung darin, dass für die Wahrnehmung der Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis besteht, weil der Arbeitgeber an den vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter, dem die Aufgaben an sich obliegen, rechtlich gebunden ist und er mit dessen Rückkehr rechnet. 

b) Der Sachgrund liegt zum einen vor, wenn der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt. Der Vertreter kann aber auch mit anderen Aufgaben betraut werden. Dabei muss allerdings sichergestellt sein, dass die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht. 

c) Werden dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Aufgaben übertragen, die der vertretene Mitarbeiter nie ausgeübt hat, besteht der erforderliche Kausalzusammenhang, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Aufgaben zu übertragen. In diesem Fall ist erforderlich, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet; dies kann insbesondere durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag geschehen. 

d) Ein ständiger Vertretungsbedarf steht dem Vorliegen eines Sachgrunds im Sinne von § § 14 II Satz 2 Nr,3 TzBfG nicht entgegen; er ist insbesondere nicht durch eine Personalreserve aus unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern auszugleichen. Entscheidend ist allein, ob bei Abschluss der Befristungsabrede ein Vertretungsfall vorlag. Eine zur Unwirksamkeit der Befristung führende “Dauervertretung” liegt hingegen vor, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht lediglich zur Vertretung eines bestimmten, vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmers eingestellt wird, sondern bereits bei Vertragsschluss beabsichtigt ist, ihn für eine zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht absehbare Vielzahl von Vertretungsfällen auf Dauer zu beschäftigen. 

e) Allein die große Anzahl der mit einem Arbeitnehmer abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge oder die Gesamtdauer der “Befristungskette” führen nicht dazu, dass an den Sachgrund der Vertretung “strengere Anforderungen” zu stellen sind. Gleiches gilt für die Anforderungen an die Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des vertretenen Mitarbeiters, die nach der Rechtsprechung des Senats Teil des Sachgrunds der Vertretung ist. 

2. Nach den Vorgaben des Gerichtshofs ergänzt der Senat diese Grundsätze um folgende Grundsätze zur Kontrolle eines institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB): 

a) Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds der Vertretung beschränken. Sie müssen zusätzlich alle Umstände des Einzelfalls prüfen und dabei namentlich die Gesamtdauer und die Zahl der mit derselben Person zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen. 

b) Jedenfalls bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und 13 Befristungen ist eine missbräuchliche Gestaltung indiziert, während in der am selben Tag vom Senat entschiedenen Sache – 7 AZR 783/10 – bei einer Gesamtdauer von sieben Jahren und neun Monaten und vier Befristungen Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch noch nicht vorliegen. 

Somit können Sie als Arbeitnehmer die Frage der Rechtmäßigkeit der Befristung gerichtlich mit einer Befristungskontrollklage überprüfen lassen. Hierbei wäre folgende Reihenfolge zu prüfen: 
  • in ei­nem ers­ten Schritt ist zu prüfen, ob ein Sach­grund für die zu­letzt ver­ein­bar­te Befris­tung vor­liegt (falls nicht, ist die Be­fris­tung un­wirk­sam),
  • und in ei­nem zwei­ten Schritt (falls ein Sach­grund für die zu­letzt ver­ein­bar­te Be­fris­tung gegeben ist) ei­ne Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen vor­zu­neh­men: Falls bei die­ser Abwägung auf­grund der lan­gen Ge­samt­dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses und der Häufig­keit der Ver­trags­verlänge­run­gen dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Ent­fris­tung zu­zu­mu­ten ist und das Interes­se des Ar­beit­neh­mers an ei­nem un­be­fris­te­ten Ver­trag da­her überwiegt, liegt ein Missbrauch vor und die Be­fris­tung ist (trotz ei­nes Sach­grun­des für die letz­te Be­fris­tung) unwirksam. 
Während es nach dem Kücük Urteil des BAG zunächst so aus­sah, als käme ei­ne Missbrauchs­kon­trol­le erst dann in Be­tracht, wenn die Ge­samt­dau­er der Beschäfti­gung zehn Jah­re oder länger ist und wenn zehn oder mehr Zeit­verträge hin­ter­ein­an­der ge­schal­tet wurden, hat das BAG 2013 zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer­sei­te ent­schie­den, dass be­reits ab ei­ner Ge­samt­dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses von sechs bis sie­ben Jah­ren ei­ne Missbrauchs­kon­trol­le vor­ge­nom­men wer­den muss (BAG mit Urteil vom 18.07.2012, AZ: 7 AZR 443/09). 

Aus Ar­beit­neh­mer­sicht heißt das: Wer sechs Jah­re oder länger auf der Grund­la­ge sachgrund­be­fris­te­ter Ar­beits­verträge beschäftigt wird, soll­te sich ge­mein­sam mit ei­nem An­walt über­le­gen, ob ei­ne Befristungskontrollklage rat­sam ist.