Dienstag, 31. März 2015

Was passiert wenn der Sozialleistungsträger die Miete nicht rechtzeitig zahlt

Der BGH hat mit einem Urteil vom 04.02.2015, Aktenzeichen VIII ZR 175/14 eine folgenschwere Entscheidung für all diejenigen Menschen getroffen, welche über einen Sozialleistungsträge wie das Jobcenter die Miete gezahlt bekommen.

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Das Berufungsgericht hat den Räumungsanspruch des Klägers (§ 546 Abs, 1 BGB) rechtsfehlerfrei für begründet erachtet, weil das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung v. 12.3.2014 wirksam beendet worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit der Entrichtung der Miete (§ 535 Abs 2 BGB für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug, so dass ein für die ausgesprochene fristlose Kündigung erforderlicher wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 S 1, Abs. 1 S. 1 Nr. 3a, § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB vorgelegen hat.
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... Dass der Beklagte, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle angewiesen war und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte, ändert an dem – neben den hier gegebenen Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB für einen Verzugseintritt erforderlichen – Vertretenmüssen (§ 286Abs. 4 BGB) ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass der zuständige Träger der Sozialhilfe nach Kündigungsausspruch zur Übernahme der Mietschulden verpflichtet worden ist.
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Zur Verantwortlichkeit des Schuldners und damit auch zu der von § 286Abs. 4 BGB geforderten Zurechnung einer Nichtleistung trotz Fälligkeit sieht § 276 Abs. 1 S. 1 BGB vor, dass der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Eine solche strengere Haftung besteht aber nach allgemeiner Auffassung bei Geldschulden. 

Danach befreit eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, um die es hier geht, den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, das § 276 Abs.1 S. 1 BGB genauso zugrunde liegt wie der Vorgängerregelung des § 279 BGB a.F. und das im Übrigen auch aus dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abzuleiten ist, ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (...).
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Dieses Verständnis des Vertretenmüssens im Falle mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit gilt auch für Mietzahlungspflichten und die bei Ausbleiben der Miete bestehenden Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters aus wichtigem Grund nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB .... 

Soweit in der Instanzrechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten oder jedenfalls erwogen wird, ein Mieter, der Sozialleistungen einer öffentlichen Stelle beziehe, genüge seinen Pflichten zur Beschaffung der zur Entrichtung der Miete benötigten Geldmittel bereits dann, wenn er alles ihm Obliegende und Zumutbare getan habe, um die öffentliche Stelle zur pünktlichen Zahlung der für seine Unterkunft geschuldeten Miete zu veranlassen (LG Bonn, Beschl. v. 10.11.2011 - 6 T 198/11, juris – Rz. 5; Urt. v. 6.11.2014 – 6 S 154/14, juris Rz. 15; LG Wiesbaden v. 22.6.2012 – 3 S 114/11, WuM 2012, 623 f.; ähnlich LG Berlin v. 9.1.2012 – 65 T 227/11, NZM 2013, 121 f.; v. MDR 2015, 32824.7.2014 – 67 S 94/14, MDR 2014, 953f. = WuM 2014, 607 f.), trifft dies nicht zu.
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Zwar braucht sich – wie der Senat klargestellt hat – ein hilfebedürftiger Wohnungsmieter die Säumnis einer öffentlichen Stelle, die die Kosten seiner Unterkunft zu übernehmen hat, nicht gem. § 278 BGB als eigenes Verschulden zurechnen zu lassen. ... Das ändert entgegen der Auffassung der Revision aber nichts daran, dass der Mieter verschuldensunabhängig für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat.
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Dementsprechend sind auch die nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB allein auf den Umstand des Zahlungsverzugs abstellenden Kündigungsgründe vom Gesetzgeber so konzipiert worden, dass sie – anders als §§ 543 Abs.1, 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (dazu BGH v. 16.2.2005, a.a.O.; v. 21.10.2009, a.a.O., Rz. 26) – eine Berücksichtigung von persönlichen Umständen und Zumutbarkeitserwägungen grundsätzlich nicht zulassen (BGH, Urt. v. 15.4.1987 – VIII ZR 126/86, MDR 1987, 928 ...). Vielmehr ist danach bei Vorliegen der Tatbestände des § 534 Abs. 2 BGB allein aus diesem Grund eine außerordentliche fristlose Kündigung möglich, ohne dass die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Abwägungsvoraussetzungen noch zusätzlich erfüllt sein müssen. 

Denn nach der Gesetzessystematik und den ihr zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 BGB ausgeführten, die (objektive) Verletzung bestimmter mietrechtlicher (Kardinal-)Pflichten von erheblichem Gewicht betreffenden Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben (vgl.BGH v. 14.7.2010 - VIII ZR 267/09 – Rz. 15, MDR 2010, 1105 = NJW 2010, 3020 ...).
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... Der ... Umstand, dass der Beklagte bei dem für ihn zuständigen Sozialhilfeträger rechtzeitig die Übernahme seiner Wohnungskosten beantragt und dieser die Übernahme – wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist – zunächst zu Unrecht verweigert hatte, [steht] einer Wirksamkeit der Kündigung des Klägers v. 12.3.2014 nicht entgegen.
Fazit:
Der BGH stellt darauf ab, dass der Gesetzgeber dem Interesse des durch einen erheblichen Mietrückstand vertragsuntreu gewordenen Mieters an einem Erhalt der gemieteten Wohnung dadurch Rechnung getragen, dass durch § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit zur einmaligen Nachholung rückständiger Mietzahlungen innerhalb von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage eingeräumt hat, um bei deren Einhaltung eine auf den eingetretenen Mietzahlungsverzug gestützte Kündigung unwirksam werden zu lassen. Diese Frist dürfte in der Regel sehr lang sein, allerdings übersieht der BGH folgende Konsequenz. 
Die Nachholung der Miete muss in der gesamten Höhe innerhalb der Frist erfolgen. Insoweit wird nicht beachtet, dass der Mieter ab Zugang der Kündigung keine Miete sondern Nutzungsentschädigung schuldet. Nun kann der Fall eintreten, was auch nicht unüblich ist, dass der Vermieter die Miete an den Bedarfssatz des Mieters angepasst hat. Dem gegenüber kann der Vermieter nach der Kündigung eine Nutzungsentschädigung verlangen, die höher ausfallen kann, weil sie sich an der ortsüblichen Miete orientiert. Dann reicht es eben nicht aus, dass der Mieter die Miete nachzahlt, sondern er muss auch die Höhe der Nutzungsentschädigung zahlen und dies könnte schwierig sein, wenn der Sozialleistungsträger diese Kosten ablehnt - Überschreitung des Bedarfsatzes.